Die ersten Gerüchte über Funkchips in Euro-Scheinen setzte die EE Times in die Welt.
In einem Artikel wurde vermutet, dass die Europäische Zentralbank (ECB) voraussichtlich ab dem Jahr 2005 RFID-Chips (Radio Frequency Identification) in Euro-Scheinen integrieren will [1].
RFID – Radio Frequency Identification
RFID sind kleine Miniatursender, die ohne feste Stromversorgung funktionieren. Die Chips werden auch mit dem Kunstwort Transponder (Transmitter/Responder) oder je nach Ausführung als RFID-Tag oder Smartlabel bezeichnet.
RFID ist das Zauberwort der modernen Logistik [2]. Die Tage des Strichcodes auf Verpackungen dürften damit gezählt sein. Mit RFID markierte Produkte sind während und nach der Herstellung, dem Transport der Waren, über den Absatz an den Endkunden und schlussendlich der Entsorgung einzeln identifizierbar.
Die kleinen Wunderwerke der Siliziumbearbeitung leisten damit weitaus mehr als herkömmliche Barcodes. Der höhere Speicherplatz ist dabei nur ein Vorteil. Um den Barcode zu lesen, muss direkter Sichtkontakt zwischen dem Scanner und dem aufgedruckten Code bestehen. Bei RFID ist dagegen keine direkte Sichtverbindung notwendig, da die Daten per Funk übertragen werden. RFID-Leser können zum Beispiel den gesamten Inhalt eines ungeöffneten Kartons erfassen.
Die Metro AG evaluiert die neuen Möglichkeiten im kürzlich eröffneten FutureStore [3]. RFID ist jedoch schon längst zum unsichtbaren Begleiter geworden. Benetton markiert Produkte der Marke Sisley mit den Mikrosendern; die elektronische Wegfahrsperre Ihres Autos lauscht vermutlich auf den korrekten Code eines RFID-Chips, der im Schlüssel versteckt ist [4: 41]; der Müllwagen identifiziert Ihre Mülltonne mittels RFID und auch die Zeitmessung hunderter Marathonläufer sowie die Zugangskontrolle zu Ihrem Arbeitsplatz kann drahtlos erfolgen [5: 384 ff.].
Die Einsatzmöglichkeiten sind nahezu unbegrenzt und dürften sich sehr schnell in alle Bereiche des täglichen Lebens ausbreiten, beziehungsweise haben sich schon ausgebreitet. Genauso vielfältig sind die technischen Ausführungen der RFID-Chips. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich deshalb nur auf solche Sender, die in Euro-Noten eingesetzt werden sollen. Eine ausführliche Klassifikation der RFID-Systeme finden Sie bei Finkenzeller [5].
Funktionsweise
In den Euro-Scheinen sollen angeblich mu-Chips der Firma Hitachi eingebaut werden. Aufgrund ihrer winzigen Bauform (0,4 x 0,4 mm) und einer Höhe von 0,15 mm ist erstmals möglich, die Minisender auf nahezu allen Gütern unterzubringen. Standard RFID-Chips werden dagegen meist gekapselt und sind mit Abmessungen bis zu einigen Zentimetern wesentlich größer. Hitachi will die Dicke auf 0,06 mm reduzieren und damit die notwendige Vorrausetzungen schaffen, dass die funkenden Staubkörner problemlos in Banknoten-Papier eingebettet werden können.
Der mu-Chip ist ein so genannter Read-Only-Transponder [6]. Während der Produktion wird jeder Chip mit einer einmaligen Seriennummer beschrieben, die später nicht mehr geändert werden kann [7]. Die Besonderheit dieser Nur-Lese-Chips ist, sobald sie in die Reichweite eines Lesegeräts kommen funken sie pausenlos die gespeicherte Seriennummer (ID) [5: 23]. Transponder mit mehr eingebauter Intelligenz versenden ihre gespeicherten Informationen dagegen nur auf Anforderungen.
Wie eingangs erwähnt, verfügen einfache RFID-Ausführungen über keine eigene Stromversorgung. Da keine Batterie eingebaut sein muss, fallen die Transponder wieder ein bisschen kleiner aus.
Das Lesegerät versorgt den Chip per Funk mit der notwendigen Energie. Auf dem Chip ist eine Antenne integriert. Das Hochfrequenzfeld des Lesegeräts induziert eine Spannung in der Empfangsantenne, die gleichgerichtet wird [4: 40]. Dieses Prinzip ist bereits seit den Anfangstagen der Funktechnik als Detektorradio bekannt.
Der Transponder kann über Veränderungen an der Antenne den reflektierten Energieanteil beeinflussen. Das Lesegerät registriert diese Veränderung im Hochfrequenzfeld und decodiert die Empfangsdaten. Ein mu-Chip funktioniert damit nur im elektromagnetischen Feld des stationären Lesegeräts [4: 40]. Außerhalb des Lesefelds haben die Transponder keine Energie, um ihre Daten zu senden.
Hitachi nutzt bei den mu-Chips eine Frequenz von 2,45 GHz [6]. Die gleiche Frequenz wird von WLAN (WiFi), Bluetooth und Mikrowellen-Herden genutzt [8].
Die Miniaturbauform der mu-Chips wird allerdings mit zwei Konsequenzen erkauft. Zum einen werden die Signale über eine on-chip Antenne empfangen. Da diese nicht größer als 0,4 mm2 ausfallen kann, ist der Antennengewinn entsprechend gering. Die Leseentfernung sinkt somit auf einen bis wenige Zentimeter. Mit einer größeren Antenne würden sich Entfernungen von 25 cm bis maximal 35 cm realisieren lassen [8].
Um die Reichweite zu erhöhen, wäre es eigentlich naheliegend, den vorhandenen Sicherheitsstreifen als Antenne zu nutzen. Diese Möglichkeit wurde jedoch noch nie erwähnt.
Weiterhin verzichtet Hitachi bei den mu-Chips auf so genannte Anti-Kollisionsmechanismen. Dies ist jedoch eine wesentlich technische Voraussetzung damit das oben beschriebene Karton-Beispiel funktioniert. Sollten also eine Geldbörse mit ein paar Euro-Scheinen in den Sendebereich eines Lesegeräts kommen, würden alle Euro-Scheine gleichzeitig damit beginnen ihre Seriennummer zu senden. Die Antworten der einzelnen Scheine würden sich beim Lesegerät überlagern und könnten nicht mehr auseinander gehalten werden. Ein Anti-Kollisionsmechanismus sorgt – vereinfacht ausgedrückt – dafür, dass die Transponder der Reihe nach antworten und nicht gleichzeitig senden.
RFID und Banknoten
Bisher wurde von der Europäischen Zentralbank (ECB) kein Bericht über RFID-Tags in Euro-Scheinen kommentiert [10]. Lediglich Hitachi hat laufende Verhandlungen mit der ECB bestätigt [10]. Aus diesem Grund kann über gespeicherte Informationen bisher nur spekuliert werden. Auf die Speicherung scheinspezifischer Daten geht nur Chai ein [7].
Laut Hersteller können die mu-Chips maximal 128-Bit speichern [6]. Rechnerisch ergeben sich daraus 3 * 1038 unterschiedliche IDs.
Für die Anwendung in Euro-Scheinen sollen die mu-Chips eine „38-stellige Nummer“ [10] speichern. Diese 38 Stellen bilden die Applikationsdaten, die um Systemdaten ergänzt werden.
Um die korrekte Übermittlung der Daten zu gewährleisten, werden die eigentlichen Nutzdaten (System- und Applikationsdaten) mit einer kryptografischen Prüfsumme (MAC, Message Authentification Code) ergänzt. Das Ziel ist hierbei nicht, die Nutzdaten zu verschlüsseln, sondern die Integrität der übermittelten Daten zu gewährleisten.
Interessant dürfte vor allem sein, welche Daten auf dem Chip gespeichert sind:
ID und short code
Der short code dürfte bei den ID-Tags keine Rolle spielen, da der Synchronisationsaufwand zwischen Generierung der im Chip gespeicherten ID und dem Notendruck zu hoch wäre. Schließlich müsste bereits bei der Herstellung der Chips festgelegt werden, welche Standzeit die Druckzylinder haben. Bestimmt wäre es auch zu aufwändig den Notendruck mit der Position der Chips im Baumwollgewebe zu synchronisieren. Keine Druckerei dürfte den Produktionsprozess so steuern können, dass zum Beispiel der Short Code oder die Position des Scheins auf der Druckplatte mit den Informationen im Chip übereinstimmen.
ID und Seriennummer
Die gleiche Überlegung könnte auch für die Seriennummer gelten. Da die Seriennummer, als Letterpress-Komponente einer Banknote aber erst nach den diversen Druckverfahren aufgebracht wird, wäre es leicht möglich, die Seriennummer aus dem bereits integrierten Transponder auszulesen und genau die Seriennummer aufzudrucken, die im Chip gespeichert ist.
ID und Datenbank
Die einfachste Variante wäre jedoch, dass die Nummer im Chip überhaupt keinen direkten Bezug zur Euro-Herstellung hat. In diesem Fall würde sich eine Beziehung zur Druckerei, der Seriennummer und dem Wert erst durch die Speicherung in einer Datenbank herstellen lassen. So könnten zum Beispiel alle wesentlichen Merkmale des Scheins (Seriennummer, Wert, Druckerei, Herstellungsdatum, etc. ) erst nach der Produktion erfasst werden. Dies wäre sicherlich der geringste Herstellungsaufwand und der flexibelste Einsatz.
Vorläufiges Fazit und offene Fragen
Fraglich bleibt, wie es RFID überhaupt ermöglichen soll, Euro-Scheine fälschungssicher zu machen. RFID ist – wie alle Sicherheitsmerkmale von Banknoten – vor allem eine technische Reproduktions-Hürde. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, bis die Miniatursender nachgebaut werden können. Die proprietäre Hitachi-Technologie dürfte hierbei als zusätzlich Barriere wirken. Geldfälscher werden nicht so schnell über notwendige Mikrochip-Fertigungstechnologie verfügen, die es erlauben mu-Chips in 0,18-Mikron-Strukturen herzustellen.
Vielfach wird außerdem kritisiert, dass RFID als Sicherheitsmerkmal nicht vom Normalkonsumenten geprüft werden. Wirklichen Sinn würde die neue Technik nur machen, wenn die Euro-Scheine per umprogrammiertem Bluetooth-Handy von jedem überprüft werden könnten. Seppä erforscht am VTT Research Center, Finnland die Möglichkeiten von RFID-Transponderin Verbindung mit Bluetooth-fähigen Mobiltelefonen.
myEuro.info-RFID-Vision
RFID-Tags werden eine wesentlich schnellere Dateneingabe bieten. Damit wird es möglich werden den Bargeldbestand einer Geldbörse in wenigen Sekunden zu erfassen und beispielsweise per Handy an den myEuro.info-Server zu übertragen. Gleichzeitig könnte der aktuelle Standort per GPS oder Location Based Service ermittelt werden.
Eine Applikation für mobile Endgeräte (auf Basis von J2ME oder Symbian) soll die umständliche Erfassung der Seriennummern ersetzen und den Inhalt der Geldbörse mit der Verfügbarkeit des Endgeräts am Point-of-Sale kombinieren. Die gespeicherten Einträge können anschließend über eine Internetverbindung an den myEuro.info-Server übertragen werden.
Offene Fragen:
- Für welche Stückelung sollen mu-Chips eingesetzt werden?
- Welche Basisbandcodierung (NRZ, Manchester, Miller …) und Modulation wird verwendet (am wahrscheinlichsten erscheint eine Lastmodulation mit Hilfsträger)?
- Lässt sich die ID eines mu-Chips mit einem modifizierten Bluetooth-fähigen Mobiltelefon auslesen?
- Wie errechnet sich der Message Authentification Code (MAC) der mu-Chips? Wird hierfür eine Authentifizierung mit abgeleiteten Schlüsseln eingesetzt?
Haben Sie weitere Fragen oder Informationen zu RFID und Banknoten? Schicken Sie bitte eine kurze Mail an rfid@myEuro.info.
Hinweise
Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Auf keinen Fall soll dieses Dokument der Herstellung oder Verbreitung von Falschgeld dienen oder dazu verleiten gegen geltende Gesetze zu verstoßen. Alle zitierten Artikel über die erwähnte Technik sind frei zugänglich. Bei professionell organisierten Geldfälschern wird entsprechendes Vorwissen, ein hoher Kapitaleinsatz und kriminelle Energie unterstellt, so dass bei diesen Personen sämtliche hier vorgestellten Sicherheitsmerkmale seit langem bekannt sein dürften.
Quellenangaben sind in eckigen Klammern geschrieben. Die Seitenzahl wird innerhalb des Quellenbelegs im Text nur bei mehrseitigen Quellen genannt. Sofern nicht anders gekennzeichnet, ist allen zitierten Internetadressen das Protokollkennzeichen http:// voranzustellen.
Alle Firmen- und Produktnamen können eingetragene Markenzeichen der jeweiligen innehabenden Firmen sein.
Das beste Zitat stammt von The Economist:
American banknotes bear the motto
„In God we trust“.
A humorous extension to this phrase
— ascribed, unofficially, to the National Security Agency — is
„All Others, we monitor“.
Literatur-Tipps und Links zum Thema RFID
[1] Yoshida, Junko (2001): Euro bank notes to embed RFID chips by 2005. EE Times. www.eetimes.com/story/OEG20011219S0016 [03.07.2002]
[2] Deutsch, Claudia H./Barnaby J. Feder (2003): A Radio Chip in Every Consumer Product. NY. www.nytimes.com/2003/02/25/technology/25THEF.html [02.03.2003]
[3] Metro (2003): Future Store. Metro AG. www.future-store.org
[4] Finkenzeller, Klaus (1998): Kontaktlose Chipkarten. www.rfid-handbook.com/downloads/fs9819040.pdf
[5] Finkenzeller, Klaus (2002): RFID-Handbuch. Grundlagen und praktische Anwendungen induktiver Funkanlagen, Transponder und kontaktloser Chipkarten. München: Hanser. ISBN 3-446-22071-2. www.rfid-handbook.com
[6] N.N. (2003): Technical Description. www.hitachi.co.jp/Prod/mu-chip/p0001.html
[7] Chai, Winston (2003): Radio ID chips may track banknotes. ZDNet. zdnet.com.com/2100-1105_2-1009155.html [25.05.2003]
[8] Jones, Peter/Sody Kahlon (2003): mu Solutions. www.hitachi-eu.com/cebit/content/Mu%20Solutions.pps
[9] wird noch ergänzt.
[10] N.N. (2003): Chip soll Euro sicher machen. In: Handelsblatt, 23./24.05.2003: 1. www.handelsblatt.com/hbiwwwangebot/fn/relhbi/sfn/buildhbi/cn/GoArt!200104,201197,631871/SH/0/depot/0/index.html
Sonstige Quellen:
Albrecht, Katherine (2002): Auto-ID. Tracking everything, everywhere. http://www.nocards.org/AutoID/overview.shtml
Bein, Hans-Willy (2003): Wo die Waage denken kann. In: Süddeutsche Zeitung, 29.04.2003: 18.
Dankert, Marcus (2002): Das Ende des Strichcodes. http://www.faz.net/s/Rub6ACD3D68FE744CD3818B753353374879/Doc~EE194A0871D64493685B27DBF1BEF3E6C~ATpl~Ecommon~Scontent.html [15.12.2002]
Das, Raghu (2002): RFID Explained. An Introduction to RFID and Tagging Technologies. www.idtechex.com
Ebeling, Adolf (2002): Etikettierungen. Vom Barcode zum Smart-Label. In: c’t – Magazin für Computertechnik, 22.04.2002, 9: 86-89.
Finn, David (o.J.): Transponder Technology in ISO Cards is Emerging as the New Driving Force in the Card Industry. http://198.139.224.140/info/transponder91098.htm
Gleich, Clemens (2003): Transponder in Benetton-Wäsche. http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=/computer/neuetechnik/hardware/56868&datei=index.php
Handelsblatt: Chip soll Euro sicher machen. Europäische Zentralbank will Geldfälscher wirksamer bekämpfen. www.handelsblatt.com
Hitachi: The World’s Smallest RFID IC. http://www.hitachi.co.jp/Prod/mu-chip
Stieler, Wolfgang (2003): Euro-Banknoten mit Identifikationschips. www.heise.de [23.05.2003]